Unser Namenspatron

Der Prohliser Johann George Palitzsch (1723 – 1788) war ein erfolgreicher Autodidakt, der sein Talent, seinen bescheidenen Wohlstand, die Arbeit als Landwirt, das Leben mit der Natur und die Nähe zur Residenzstadt Dresden für den Erwerb allgemein bewunderter Kenntnisse und Fähigkeiten nutzte – besonders herausragend auf den Gebieten der Astronomie, der Physik und der Botanik.

Das Dorf Prohlis gehörte damals über verschiedene Ämter (Brückenamt, Maternihospital, Leubnitzer Amt) der Stadt Dresden und wurde erst im 19. Jahrhundert eine selbständige politische Gemeinde. Der heutige Stadtbezirk Prohlis mit fast 60´000 Einwohnern ist durch Eingemeindungen nach Dresden und Umstrukturierungen im 20. und 21. Jahrhundert entstanden.

Im Kurfürstentum Sachsen war Anfang des 18. Jahrhunderts die Physikotheologie, welche die Schönheit und Ordnung des Kosmos als Gottesbeweis sah, die vorherrschende Weltanschauung und der fruchtbare Boden für den Lerneifer des jungen Bauernsohnes – zuerst in der für Prohlis zuständigen Leubnitzer Kirche mit Schule, später durch die Lektüre von Büchern, welche die Mutter und der strenge Stiefvater in begrenztem Maße zuließen. Palitzschs leiblicher Vater war bereits 1724 gestorben.

In dieser Zeit erschienen auch erstmals erschwingliche, deutschsprachige, populärwissenschaftliche Schriften, die es Nichtakademikern ermöglichten, an den damals aktuellen Erkenntnissen und Spekulationen teilzuhaben.

Obwohl P. mit 21 Jahren das väterliche Gut und damit die Verantwortung für Hof und Familie übernahm, konnte er weiterhin seinen Wissensdurst stillen und seiner Passion für die Sternenkunde nachgehen. Sehr nützlich war die Bekanntschaft mit dem Tolkewitzer Zwirnhändler und Teleskopbauer Christian Gärtner, der bereits gute Beziehungen zu anderen Astronomen und zum nahegelegenen Dresdner Hof des sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs August III. unterhielt.

Den Kontakt zu Gärtner hatte Georg Adolph Mehner vermittelt – ein Sohn des Leubnitzer Pfarrers, dessen Familie auch mit Johann Joachim Winckelmann, dem berühmten Kunsthistoriker, verkehrte. Nöthnitz, wo Winckelmann in der Bibliothek des Grafen Heinrich von Bünau arbeitete, gehörte ebenfalls zur Leubnitzer Pfarrei.

Vom Oberinspektor des Mathematisch-Physikalischen Salons Georg Gottlieb Haubold, der Palitzschs Wetterbeobachtungen sammelte, erfuhr er wissenschaftliche Neuigkeiten – auch die Wiederkehr eines Kometen betreffend, welche von Edmond Halley aufgrund der Gravitationstheorie von Isaac Newton für 1758 angekündigt war. Nicht nur die Naturphilosophen waren gespannt, ob dieser Beweis für das Newtonsche Weltbild erbracht werden konnte. Nachdem das Wissen der Antike und des Orients überholt wurde, gab es einen zunehmenden Fortschrittsglauben – trotz der Schwierigkeiten des Lebens zu jener Zeit.

Zwei Ehefrauen (Anna Marie, Anna Regine) und mehrere Kinder, sogar der dem Vater sehr nacheifernde Johann Gottlob (1753 – 1784) starben zu P. Lebzeiten. Auch die 1773 geheiratete dritte Frau konnte er „Anna“ rufen (Anna Rosine, gestorben 1811).

Mitten im Siebenjährigen Krieg (1756 – 1763), unter dem das Dresdner Umland hauptsächlich durch wechselnde Einquartierungen preußischer und österreichischer Soldaten zu leiden hatte, entdeckte der Prohliser Bauernastronom am 25. Dezember 1758 einen Kometen und brachte seine Beobachtungen nach Dresden zu Christian Gotthold Hoffmann. Dieser Finanzbeamte und in der Naturkunde anerkannte Amateur hatte bereits Johann Ludewig aus Cossebaude mit dem Buch „Der Gelehrte Bauer“ bekannt gemacht und wollte zeigen, dass es bei der Volksaufklärung durch Mathematik und die „vernünftige“ Philosophie von Christian Wolff „es nicht an Mitteln, sondern an Willen mangele“.

Die Veröffentlichung der Kometenentdeckung in den „Dreßdnischen gelehrten Anzeigen“ wurde von Prof. Gottfried Heinsius in Leipzig gelesen, der mit diesen Daten den weiteren Verlauf des Kometen berechnete, ihn eindeutig als den von Halley vorhergesagten identifizierte und seine Ergebnisse als „Liebhaber der Sternwissenschaft“ anonym herausgab.

Über die Kometensichtungen des o.g. Tolkewitzers Christian Gärtner korrespondierte Heinsius bereits mit Joseph-Nicolas Delisle in Paris, dessen Mitarbeiter Charles Messier ausschließlich den Halleyschen Kometen zu suchen hatte und, um nicht mehrfach einen nebeligen Punkt für einen Kometen zu halten, seinen berühmten Messier-Katalog anlegte.

Heinsius und Delisle, damals renommierte Astronomen, kannten sich aus St. Petersburg, wo sie am Aufbau der dortigen Universität beteiligt waren. In einem Schreiben berichtete Heinsius auch von der neuen Entdeckung in Sachsen und so wurde Johann George Palitzsch schnell in ganz Europa bekannt, denn der erste prophezeite „Stern“, der noch bis Juni 1759 gesehen wurde, und die Querelen zweier Pariser Mathematiker um die genaue Berechnung der Kometenbahn waren ein beliebtes Salonthema.

Nach diesem Beweis seines Könnens wurden Palitzschs Naturbeobachtungen anlassbezogen (Sonnenfinsternis, Venustransit, weitere Kometen, Wetterextreme) in verschiedenen Dresdner Zeitungen gedruckt und seine Person in unzähligen Schriften erwähnt. 1770 wurde er wegen seiner landwirtschaftlichen Kenntnisse als assoziiertes Mitglied in die „Leipziger Ökonomische Societät“ aufgenommen, einer Institution, die für ihren wichtigen Beitrag beim Wiederaufbau des zerstörten und verschuldeten Sachsens nach dem Augusteischen Zeitalter bekannt wurde.

Der neue, naturwissenschaftlich interessierte Kurfürst Friedrich August III. besuchte seinen berühmten Landessohn in Prohlis und beauftragte Michael Keyl einen Kupferstich anzufertigen. Später kamen noch weitere Portraits hinzu, wobei das Gemälde von Anton Graff und der entsprechende Kupferstich von Christian Gottfried Schulze herausragen. Beide Bildnisse, die in der Presse sehr gelobt wurden, finanzierte Geheimrat Friedrich Wilhelm von Ferber. Er war ein bedeutender Freimaurer – wie einige von Palitzschs Bekannten. Diese Männerbünde, welche Tradition und Aufklärung zu verbinden suchten, waren mit ihrem kosmopolitischen Ansatz in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sehr erfolgreich. Die Begegnung und Bewunderung des Vorbildes für Lessings „Nathan der Weise“, des jüdischen Aufklärers Moses Mendelssohn, ist auch in diesem Zusammenhang zu erwähnen.

Mit Karl Wilhelm Daßdorf, Bibliothekar am sächsischen Hof, veröffentlichte P. 1779 ein Gedicht für den Freimaurer Leopold von Braunschweig, der als preußischer Offizier während des Bayrischen Erbfolgekrieges die Prohliser Berühmtheit besuchte und von dem ein Brief „An Herr Palisch zu Prohlis“ im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg aufbewahrt wird, welcher mit „Ergebenster Freund“ unterschrieben ist. Daßdorf stellte auch 1782 in seiner „Beschreibung der vorzüglichsten Merkwürdigkeiten der Churfürstlichen Residenzstadt Dresden und einiger umliegenden Gegenden“ seinen Freund P. ausführlich und bewundernd vor. Karl Christian Canzler, der Oberbibliothekar der kurfürstlichen Bibliothek, übermittelte Palitzschs Beobachtungen der Helligkeitsschwankung des Doppelsterns Algol an Hans Moritz von Brühl, den kursächsischen Gesandten in London, der dafür sorgte, dass diese 1784 in den „Philosophical Transactions der Royal Society“ erschienen und damit weltweit gelesen werden konnten.

Bis zu Palitzschs Tod, der in vielen europäischen Ländern angezeigt wurde, war seine Person, seine Sammlung von Instrumenten und Kuriositäten sowie sein botanischer Garten ein Anziehungspunkt für Dresdner und auswärtige Besucher, wie z.B. auch für den Gründer der ersten astronomischen Vereinigung Franz Xaver Zach.

Seitdem ist die Erinnerung an den Sachsen Palitzsch (der Name hat sorbische Wurzeln) und dessen Glück des Tüchtigen, welches Wissenschaft und Handarbeit so erfolgreich verbinden konnte, nie erloschen, wovon auch sein schönes Grabmal auf dem Leubnitzer Friedhof zeugt.

Der Bauernastronom wurde für viele Amateur- und einige Fachastronomen zum Vorbild. Beispiele der Würdigung sind das Palitzsch-Tal auf dem Mond, die nach ihm benannte Sächsische Tierschutzmedaille, das Museum in Dresden-Prohlis und nicht zuletzt unser Vereinsname.

07. April 2023; Robert Heinz

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