von Udo Mutze, Gründungsmitglied.

Der erste Leiter des Astro-Clubs in der Palitzsch-Gesellschaft e.V., Dr. Udo Mutze, beschäftigte sich im folgenden Aufsatz speziell mit der Astronomie im 18. Jahrhundert:

Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts sahen die Astronomen ihre Hauptaufgabe darin, genaue Sternkarten zu zeichnen. Man maß die Winkelabstände der Sterne und legte Verzeichnisse aller mit bloßem Auge sichtbaren Sterne an. Im Jahre 1762 erschien der bis dahin genaueste Sternkatalog von James Bradley, dem Direktor der Sternwarte in Greenwich bei London. Bradley war der Nachfolger des durch die Kometenbahnberechnung berühmt gewordenen Edmond Halley (1656-1742). Genaue Sternkataloge benötigte man für die Schifffahrt, um auf hoher See aus Sternmessungen mit dem Sextanten die Position bestimmen zu können. Fernrohre spielten bis dahin nur eine geringe Rolle, da sie noch recht lichtschwach waren und nicht sehr scharfe Bilder lieferten. Gerade auf diesem Gebiet vollzog sich nun ein Wandel.

Es war englischen Optikern gelungen, farbfehlerarme Linsenfernrohre herzustellen. Aus der Werkstatt von John Dollond (1706-1761) und nachfolgend seinem Sohn Peter Dollond (1731-1820) gingen Hunderte von achromatischen Fernrohren in die Welt hinaus. Auch der Schwiegersohn von John, Jesse Ramsden (1730-1800) lieferte Fernrohre aus eigener Werkstatt und hatte besonders die Qualität der Okulare verbessert. Noch war es schwierig, größere Glasstücke fehlerfrei zu erschmelzen, so dass die Linsendurchmesser zunächst bei 3 bis 4 cm lagen. Erst 20 Jahre später gelangen Objektive mit bis zu 10 cm Durchmesser.

Etwa um die gleiche Zeit, 1766, begann der nach England ausgewanderte deutsche Musiker Friedrich Wilhelm Herschel (1738-1822) Spiegelteleskope nach Newtonscher Bauart herzustellen. Er schliff die Metallspiegel selbst und erlangte eine so hohe Kunstfertigkeit, dass er über 400 Geräte mit Spiegeldurchmessern bis 50 cm und Brennweiten bis 9 m ausliefern konnte. Sie fanden in ganz Europa reißenden Absatz, da sie keinerlei Farbfehler aufwiesen. Das größte Fernrohr, mit dem Herschel selbst beobachtete, besaß 1,22 m Spiegeldurchmesser und 11,90 m Brennweite. Man kann sich vorstellen, dass eine beachtliche Hilfsmannschaft und auch sportliches Können nötig waren, um auf hoher Plattform mit solchen Riesengeräten beobachten zu können.

Als dann im Jahre 1781 Herschel den Planeten Uranus entdeckt hatte, wurde er schlagartig weltberühmt und konnte sich fortan mit Unterstützung des englischen Königs voll und ganz seinem Hobby widmen. Damit war in England in der Nähe von Windsor ein Zentrum der astronomischen Forschung entstanden, zumal ab 1772 auch die Schwester Caroline (1750-1848) an den Beobachtungen teilnahm. Allein sie entdeckte neben zahlreichen Doppelsternen und Nebelflecken 8 Kometen am Himmel.

Durch systematische Sternbeobachtungen fand Herschel, dass sich die Sonne in Richtung auf das Sternbild Herkules bewegt, und dass unsere Milchstrasse eine Scheibengestalt hat. Er entdeckte ferner viele Doppelsterne, Sternhaufen und Nebel, ferner die Uranusmonde Titan und Oberon, sowie die Saturnmonde Mimas und Enceladus.

Auch auf dem europäischen Kontinent entstand in der zweiten Hälfte des 18. Jh. ein astronomisches Beobachtungszentrum, und zwar ebenfalls durch die Initiative eines begeisterten Hobby-Astronomen. Der 1745 in Erfurt geborene Johann Hieronymus Schröter, der in seiner Heimatstadt und in Göttingen Theologie und Jura studiert hatte, wurde 1778 hannoveranischer Regierungsrat. Nun konnte er sich seinen Herzenswunsch erfüllen und ein Dollondsches Fernrohr von 3 Fuß Länge erwerben. Mit der im Jahre 1781 erfolgten Bestallung als Amtmann in Lilienthal bei Bremen durch König Georg III. von England und Hannover war er finanziell so gut gestellt, dass er sich auch größere Teleskope aus der Fertigung von Herschel leisten konnte. Bald begann er auch in eigener Werkstatt selbst Spiegel zu schleifen, wobei besonders ein 13füßiges Teleskop (Brennweite etwa 4 m) von Lalande, dem Direktor der Pariser Sternwarte, als das Beste seiner Zeit gerühmt wurde.

Die Qualität der damaligen Fernrohre erreichte allerdings noch nicht die der heutigen Geräte. Zum Beispiel hatten die Spiegel den Nachteil, dass sie nach einiger Zeit trüb wurden und dann nachpoliert oder neu belegt werden mussten. Das nahm man aber in Kauf, wenn für bestimmte Beobachtungen unbedingt große Öffnungen vonnöten waren. Linsenfernrohre litten noch stark unter den Ungleichmäßigkeiten des Glasmaterials, so dass oft nur die kleineren Geräte wirklich gut waren. Dazu kam noch eine mehr oder weniger starke Eigenfärbung des Glases, die viel Licht absorbierte. Schröter äußerte sich im Jahre 1796 einmal selbst darüber: „Was den 10füßigen adquirirten Dollond betrifft, ist es gewiß, dass so ein Instrument von 3 9/10 engl. Zollen Öffnung in der Deutlichkeit und Präcision etwas vorzügliches ist, und lange war ich so sehr dafür eingenommen, dass ich meine Telescope beinahe ganz vergessen hätte; aber Herr Doktor Olbers führte mich zu diesen zurück. Wir verglichen den 10füßigen Dollond mit dem 13füßigen Reflektor, mit dem ich lange nicht beobachtet hatte, und bei aller Präzision und Deutlichkeit verhielt sich der Dollond zum 13füßigen dennoch fast wie Dämmerung zum hellen Tag, so auffallend, dass ich seitdem wieder fast immer mit dem 13füßigen Reflektor beobachte.“ 1)

Schröters Sternwarte entwickelte sich sehr schnell zu einem Mekka der beobachtenden Astronomen. Häufig besuchte ihn der als Arzt im benachbarten Bremen ansässige Heinrich Olbers (1758-1840). Der 13 Jahre jüngere Olbers hatte viel von Schröter gelernt. Er begründete eine eigene Sternwarte mit einem Dollondschen Fernrohr von 3,75 Zoll Öffnung (94 mm) und 5 Fuß Länge (162 cm). Zur Popularisierung der Astronomie hielt er in Bremen öffentliche Vorträge und Einführungslehrgänge. Da Olbers hohe mathematische Kenntnisse besaß, spezialisierte er sich auf die Beobachtung von Kometen und berechnete ihre Bahnen. Er entdeckte nicht weniger als 6 neue Kometen. Weltberühmtheit erlangte Olbers durch die Entdeckungen des Planetoiden Nr. 2 Pallas am 28. März 1802 und des Planetoiden Nr. 4 Vesta am 29. März 1807.

Schröter war ein äußerst fleißiger Beobachter, der jede klare Nacht nutzte. Über viele Jahre arbeitete er an einer möglichst genauen Mondkarte. Dafür mussten unzählige Messungen zur Lage der Krater ausgeführt werden. So oft wie möglich beobachtete er auch die Planeten. Besonders die Venus, auf der wegen der dichten Wolkendecke fast nichts zu sehen ist, empfand Schröter als eine Herausforderung. Mit einer unglaublichen Zähigkeit spürte er die seltenen Tage oder nur Stunden auf, an denen sich eine schwache Trübung in der sonst weißen Oberfläche zeigte. Ebenso sorgfältig beobachtete er die Form der Sichelspitzen, wenn die Venus in erdnaher Position nur ihren schmalen beleuchteten Rand sehen ließ. Aus der Wanderungsbewegung von Trübungsflecken glaubte er eine Umdrehungszeit der Venus von 23 Stunden und 22 Minuten ableiten zu können. Gelegentlich zeigte die südliche Sichelspitze eine knollenartige Verdickung. Das deutete Schröter als die Wirkung hoher Gebirge auf der Venus, die ähnlich wie beim Mond zu Ausbeulungen an der Lichtgrenze führen könnten. Einige Male im Verlauf vieler Jahre sah er die dunkle, nicht von der Sonne beleuchtete Venusseite in einem matten Glanz leuchten. Er verglich das mit den Nordlichtern der Erde, die von unserem Mond aus in ähnlicher Weise zu sehen sein müssten.

Dass Schröter mit den besonderen Erscheinungen auf der Venus höchst kritisch umging, zeigt sich darin, dass er seine Beobachtungen möglichst auch von einem Gehilfen kontrollieren ließ. Zeitweilig arbeitete ein Spiegelschleifer in seiner Werkstatt oder für längere Aufenthalte wohnte ein Kupferstecher bei ihm, der die Druckplatten für die Veröffentlichungen ausführte. Von seinen späteren Assistenten wird noch die Rede sein. Für Besucher hatte Schröter auf seinem Grundstück eigens ein Gästehaus errichten lassen.

Wir mögen uns heute vielleicht verwundern, mit welcher Geradlinigkeit die Himmelsbeobachter des ausgehenden 18. Jahrhunderts ihre Entdeckungen zu deuten versuchten. Über Sonne, Mond und Planeten war ja noch nichts bekannt. So lag es nahe, Analogieschlüsse aus der Beschaffenheit der Erde, ihrer Atmosphäre und selbst aus der Existenz der Menschen zu ziehen. Wir befinden uns hier am Beginn einer völlig neuen Wissenschaft, der Astrophysik. Mit Hilfe des verbesserten Fernrohrs konnten die Astronomen erstmals Fragen nach der Beschaffenheit der Himmelskörper stellen und zu beantworten versuchen. Schröter selbst befasste sich hauptsächlich mit den Körpern des Sonnensystems und erstreckte seine Beobachtungen jeweils über viele Jahre, um beispielsweise die Vorgänge auf der Sonne oder mögliche Veränderungen auf dem Mond zu erkunden. Besonders segensreich wurde sein Wirken dadurch, daß er jungen
talentierten Sternfreunden Arbeitsmöglichkeiten in seiner Sternwarte bot und ihnen die jeweils besten Geräte zur Verfügung stellte.

Ab 1799 nahm an den Beobachtungen auch der junge Friedrich Wilhelm Bessel (1784-1846) teil. Der in Bremen lebende Kaufmannslehrling hatte bei Olbers astronomische Vorträge gehört. Bereits als 20jähriger legte er diesem seine Kometenbahnberechnungen vor. Olbers erkannte sofort das außerordentliche mathematische Talent Bessels und vermittelte ihm die Bekanntschaft mit dem bereits berühmten Göttinger Mathematiker Carl Friedrich Gauß (1777-1855), der sich insbesondere mit den Rechenmethoden der Himmelsmechanik befasst hatte.

In Lilienthal widmete sich Bessel der Verfeinerung der astronomischen Messungen, indem er eine genauere Fernrohrausrichtung und überhaupt die Berücksichtigung von Gerätefehlern einführte. Ein wichtiges Problem dieser Zeit war die Suche nach Sternparallaxen. Wenn also die von Nikolaus Kopernikus aufgestellte These stimmen sollte, dass die Fixsterne viel weiter von der Sonne entfernt sind als die Planeten, dann müssten sich von den entgegengesetzten Stellungen der Erde auf ihrer Umlaufbahn geringe seitliche Verschiebungen der Sternpositionen erkennen lassen. Nach solchen Verschiebungen wurde auch in Lilienthal eifrig gesucht. 1810 erhielt Bessel eine Berufung als Direktor an die königlich-preußische Sternwarte Königsberg. Hier setzte er seine Präzisionsmessungen der Himmelskoordinaten fort, um alle Unregelmäßigkeiten des Erdumlaufs und der Erdumdrehung bestimmen zu können. Erst im Jahre 1839 gelang es ihm endlich, mit einem von Fraunhofer gelieferten Spezialfernrohr (Heliometer) eine Fixsternparallaxe zu messen, und zwar die des Sterns 61 im Schwan, den er bereits in Lilienthal auf der Liste der aussichtsreichen Kandidaten hatte. Damit war die Entfernung zu den nächstgelegenen Fixsternen direkt messbar geworden und somit das Kopernikanische Weltbild endgültig bestätigt.

Neben dem erfolgreichen Wirken Schröters, dessen Sternwarte in Lilienthal als eine Hochschule der Himmelsbeobachter bezeichnet werden könnte, vollzog sich ab den 80er Jahren des 18. Jahrhundert noch eine bedeutsame Entwicklung in der Astronomie. Nur wenige der vermögenden Astronomen konnten ihre Ergebnisse in eigenen Büchern verbreiten. Hauptsächlich standen die Beobachter durch einen lebhaften Briefwechsel miteinander in Verbindung, in den auch Palitzsch mit einbezogen war. Seit der Entdeckung des Uranus im Jahre 1781 war der Verdacht aufgekommen, es könne noch weitere Planeten, insbesondere in der durch die Titius-Bode-Regel ausgewiesenen Lücke zwischen Mars und Jupiter geben (s. Informationsblatt Juli/August 2003). Nach jahrelangen Korrespondenzen zu diesem Thema, die zunehmend über die seit 1776 von dem Astronomen Johann Elert Bode (1747-1826) herausgegebenen Astronomischen Jahrbücher der Berliner Akademie verbreitet wurden, kam es im Jahre 1800 in Lilienthal auf Anregung des Gothaer Astronomen Franz Xaver von Zach (1754-1832) zur Gründung einer europaweiten astronomischen Vereinigung. Ziel war es, in aufgeteilten Himmelsfeldern systematisch nach Planeten zu suchen.

Bereits am 1. Januar 1801 hatte der Italiener Piazzi in Palermo mit der Entdeckung des ersten Planetoiden Ceres Erfolg. Die sich danach fortsetzende Arbeitsteilung und Spezialisierung der Sternwarten führte zu einer raschen Entwicklung der gesamten Astronomie.

Die in den vorangegangenen 50 Jahren neu entstandene Astrophysik war hauptsächlich das Werk begeisterter Amateurastronomen gewesen. Zwei Beispiele sollen zeigen, wie mühsam diese ersten Anfänge waren. Sehr problematisch waren die Vorstellungen über die Natur der Sonne. Aus den Veröffentlichungen Schröters, Herschels, Bodes und anderer geht hervor, dass man sich die Sonne als einen dunklen Körper vorstellte, der von einem leuchtenden Fluidum überzogen ist, in welchem zeitweise Löcher auftreten, die wir als Sonnenflecken sehen.

Dass uns die Sonnenstrahlung so heiß erscheint, führte man auf eine Brennglaswirkung der Erdatmosphäre zurück. Unter solchen Annahmen hielt man die Existenz von Lebewesen auf der Sonne durchaus für möglich. Gerade solche Spekulationen reizten die Astronomen zu immer sorgfältigeren Beobachtungen.

Erst als nach 1800 der Energiebegriff als eine universelle Größe erkannt wurde, die in verschiedenen Formen auftreten kann, wie zum Beispiel als Bewegungsenergie, Wärmeenergie, chemische Energie und eben auch Strahlungsenergie, wurde deutlich, dass an der Sonnenoberfläche eine unvorstellbar hohe Temperatur von mehreren tausend Grad herrschen muss. Schröter fand bei der Beobachtung von Kometen, dass die Schweife oftmals in mehrere Strahlen gespalten sind. Das Leuchten der Schweife verglich er mit den Erscheinungen der Nordlichter. Damit hatte er, ohne es selbst verstehen zu können, eine wichtige Entdeckung gemacht. Tatsächlich gibt es in den Kometenschweifen Bestandteile, die sogenannten Ionenstrahlen, deren Leuchten genauso wie bei Nordlichtern angeregt wird.

Insgesamt war die Astronomie zur Zeit von Johann Georg Palitzsch eine sehr fruchtbare Periode, in der sich Beobachtungen, Spekulationen, verbesserte Beobachtungsmöglichkeiten und neue Theorien in lebendiger Folge ablösten, und so zu dem glänzenden Aufstieg der Naturwissenschaften im folgenden 19. Jahrhundert beitrugen.

Zitat:
1) J.H. Schroeter: Beobachtungen über die Sonnenfackeln und Sonnenflecken. Herausgegeben von Dieter Gerdes, Lilienthal 1995, S. 117

Weitere Literatur:
J.H. Schroeter: Beobachtungen über die sehr beträchtlichen Gebirge und Rotation der Venus.
Herausgegeben von Dieter Gerdes, Lilienthal 1995

© 2008 Udo Mutze
Dieser Artikel erschien im Informationsblatt der Palitzsch-Gesellschaft Jg. 9 (2008) Nr.

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